Die Höhlen

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Die Höhlen sind schwummrig braun. Alle Höhlen sind leer. Sie wären gerne mit Freude gefüllt, aber es ist dumpf in ihnen. Die Höhlen haben verschiedene Größen. Manche sind dunkel und schwer und aus Matschlehm, andere haben sehr hohe feine Stimmen, die irgendwie zu kämpfen scheinen. Manchmal schaffen sie es, den Matschlehm niederzudrücken, manchmal verschwimmt es in einen fortwährenden Gemisch von tiefem Brummen und zartem Gemurmel.

Alle Höhlen sind irgendwie miteinander verbunden. Manche Höhlen sind Verbindungshöhlen, andere haben nur eine oder zwei Verbindungen. Selbst die hinterste Höhle am Ende einer langen Verästelung ist leer. Ich bin durch viele Höhlen gegangen. Ich fand viele vor, die mit einer traurigen Leere gefüllt waren und nur darauf zu warten schienen, dass jemand vorbei kommt und sie mit etwas füllt. Die meisten Höhlen waren nicht aus Matschlehm, dieser ist sehr selten. Die meisten Höhlen haben eine braun-rot geäderte erdige Haut, die von blauen und roten Adern durchzogen zu sein scheint.

Die Höhlen sind wie Blobs geformt. Wie die Hülle eines Pizza-Teigballens, der darauf wartet, geformt zu werden. Manche sind sehr offen und einladend und haben doch keine Substanz zu bieten. Andere wollten versteckt sein und wenn ich sie dann gefunden hatte, war die Höhle wie verschämt sich so leer zu zeigen wie sie ist. Es kam mir so vor, als wenn jemand ganz viele von diesen Teigballen gefunden hatte, sie irgendwie miteinander verbunden und dann wie Ostereier ausgeblasen hatte. ALLE Höhlen sind leer. Ich bin durch leere Gänge gewandert, egal wo ich hinging, die Höhlen waren leer. 

Dieses Bild ist in meinem Kopf gefangen. Ich habe in diesem Höhlensystem gelebt. Ich versuchte, die Höhlen zu füllen. Aber das Füllmaterial, das mir zur Verfügung stand, konnte nichts ausrichten. Die Höhlen sind leere Hüllen. Kein Material der Welt kann eine Hülle füllen, wenn die ureigene Substanz der Hülle genommen wurde.

Jede Hülle hat ihre ganz eigene Füllkomponente. Aber die vorgesehenen Füllungen scheinen verloren gegangen zu sein. 

Das Höhlensystem erschien mir in sich geschlossen, aber bei genauerem Hinsehen kommt es mir jetzt so vor, als wenn die verästelten Höhlen nach außen hin in ein größeres System eingewachsen sind. Die Höhlen werden von außen ausgesaugt. Da sind dicke starke Adern, die sich von außen an die Höhlen andocken und sie über die Zeit leer saugen. Manche Höhlen, die ich vorfand, vor allem die versteckten, hatten noch eine ziemlich dicke Haut. Die meisten jedoch hatten eine immer dünner werdende Haut. Die Haut ist irgendwie elastisch und gaukelt einem Geborgenheit vor. Aber nach einer Weile des Durchwanderns stellte ich fest, das Höhlensystem ist in sich geschlossen und es gibt keinen Ausgang. Ich war gefangen in einem Geäst von Leere.

Jetzt befinde ich mich in meiner eigenen Höhle. Es ist aber gar keine Höhle. Ich bin ich, ich bin Luft, Feuer, Wasser und Erde. Ich kann sein, was ich will. Ich muss keine Höhle sein und keine Hülle füllen. Ich wünsche mir, dass jeder sein Eigenes sein kann und nicht versuchen muss, die Füllung leerer Hüllen zu sein.

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